Aus dem Gemeinderat: Haushaltsrede 2017

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Oftersheimer,

es sind fast genau 12 Monate seit der Vorlage des letzten Haushalts vergangen.
Dort wurde uns im Finanzhauhalt ein Fehlbetrag von ca. 650.000€ vorausgesagt.

Bereits in der damaligen nicht-öffentlichen Sitzung konnten wir durch Beschlüsse zu Einsparungen und Grundstücksverkäufen das Defizit fast schon ausgleichen. Die Jahresrechnung 2016 wird vermutlich zeigen, dass wir einen kleinen Überschuss erwirtschaftet haben. Das wird sicher erfreulich sein.

Für 2017 ist hingegen im Finanzhaushalt ein Fehlbetrag von 3,2 Millionen Euro vorgesehen. Dieser Fehlbetrag wird sich nicht so einfach in Luft auflösen. Zwar wird dieses Defizit  – sofern keine weiteren Ausgaben hinzukommen – auch dieses Jahr nicht so hoch ausfallen, jedoch wird für 2017 eine Kreditaufnahme vermutlich unumgänglich sein. Bereits jetzt haben wir einen Schuldenstand von knapp 4,7 Millionen Euro mit teilweise langfristigen Krediten von bis zu 4,5%.

Geplante Projekte der nächsten Jahre und finanzielle Verpflichtungen könnten die Verschuldung der Gemeinde verdoppeln – wenn nicht sogar verdreifachen!

Dies ist für uns Grüne nicht akzeptabel. Bei einem auch zukünftig nicht ausgeglichenen oder positiven Finanzhaushalt wird uns die Zins- und Tilgungslast für weitere Schulden jährlich weiterbelasten, da wir derzeit nicht in der Lage sind, diese Zinslast aufzubringen. Fazit: Der finanzielle Spielraum wird – wenn wir so weiter machen – jedes Jahr kleiner werden.

Das neue kommunale Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR), das wir seit 2016 einsetzen, zeigt dem Gemeinderat, den Bürgern und der Verwaltung ein realistisches Bild der wirtschaftlichen Lage unserer Gemeinde.
Und dies ist – auch wenn es schmerzt – gut so.

Der Ressourcenverbrauch unserer Gemeinde geht über den von ihr verursachten Geldverbrauch eines Haushaltsjahres hinaus.

Beispielhaft genannt hierfür ist die Nutzung eines Gebäudes. Dieses wurde vor Jahren errichtet oder gekauft. Im aktuellen Haushaltsjahr fließt hierfür kein Geld ab. Dennoch sinkt der Wert des Gebäudes durch die Nutzung. Dieser Werteverzehr wird in der NKHR künftig über die jährliche Abschreibung als Aufwand erfasst und ausgewiesen.

Es wird für uns deutlicher, was wir uns leisten können und was nicht.

Der Haushalt ist auch stets eine Abbildung der konkreten Entscheidungen, die dieses
Gremium getroffen hat. Daher liegt es an uns, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates, entweder die Einnahmenseite zu erhöhen, oder die Ausgabenseite zu reduzieren. Wir werden nicht umhinkommen, beides zu machen.

Wir Grüne haben in den vergangenen 2 Jahren hier Vorarbeit geleistet. Wir haben den Antrag zur Mieterhöhung der kommunalen Wohnungen auf den Weg gebracht, und haben einen Antrag zum Ausstieg aus dem Bellamar gestellt. Bei den Mieterhöhungen ist uns das Gremium gefolgt. Beim Bellamar nicht.

Wir Grüne werden diesen Weg weitergehen –  ob populär oder nicht. Auch werden wir – wie bei den notwendigen Mieterhöhungen – keine Rücksicht auf eine anstehende Wahl nehmen.
Es wäre schön, wenn uns andere Fraktionen hier mit konkreten Vorschlägen zur Kostenreduzierung unterstützen würden.

Auch halten wir es für wichtig, bestehende Gebäude und Anlagen zu erhalten, bevor weitere Neubauten unseren Haushalt belasten. Den Verkauf von gemeindeeigenen Immobilien sowie den Neubau von Gebäuden halten wir für nicht ausgeschlossen –  jedoch sollte hier auf langfristige Auswirkungen auf den Finanzhaushalt geachtet werden.

Ein Teil der Ausgaben sind – so wie jedes Jahr – die Personalkosten. Das hohe Überstundenkonto sowie das große Engagement der Mitarbeiter verbietet schon fast den Hinweis auf Einsparungen in diesem Bereich. In unseren Augen lassen sich langfristig Einsparungen nur dann erreichen, wenn man Aufgaben (so wie bei die Grundbucheinsichtsstelle) mit anderen Gemeinden zusammenlegt oder einzelne Dienstleistungen der Gemeinde reduziert.

Hier fordern wir den Bürgermeister und die Verwaltung auf, in den kommenden Wochen Vorschläge zu erarbeiten.

Ein weiterer Teil der Ausgaben ist der Bau neuer gemeindeeigener Wohnungen, um den Bedarf an diesen Wohnungen mittelfristig zu decken. Der soziale Wohnungsbau und die Anschlussunterbringung für Flüchtlinge gehört zu den Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge. Dass soziale Wohnungspolitik nötig ist, steht für uns außer Zweifel. „Es gibt Haushalte, die sich aus eigener Kraft – aufgrund zu geringen Einkommens oder aufgrund sozialer Merkmale und besonderer Bedürfnisse – nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können.

Die im Haushalt 2017 dafür eingestellten Mittel von 1 Millionen Euro klingen sehr viel.
Ja, es ist sehr viel. Jedoch kann sich der Bau durch die Mieteinnahmen selbst finanzieren. Das Jobcenter übernimmt die Kosten der Kaltmiete gemäß Sozialgesetzbuch II und Asylbewerberleistungsgesetz. Dies sind sichere Einnahmen, um ein Gebäude dieser Art gegenzufinanzieren. Bei Zuschüssen von 5-6 Euro pro Quadratmeter bleibt für die Gemeinde kein großes finanzielles Risiko.

Die Gemeinde Oftersheim hat in den vergangenen Jahren viel in die Sanierung bestehender Wohnungen investiert. Für 2017 sind 300.000  € für das Gebäude in den Giessen 2 eingeplant.  Somit wird nicht nur in neue Gebäude investiert, sondern auch der Bestand in Ordnung gehalten.

Fazit: Wichtig für uns Grüne bleibt, dass wir den Bestand an Mehrfamiliengebäuden behalten und ggf. (sofern nötig und finanzierbar) erweitern.

Jedoch darf dies kein Verlustgeschäft sein. Nur so kann man auf Dauer Diskussionen um ein Verkauf der gemeindeeigenen Wohnungen begegnen.

Wir Grünen wenden uns auch gegen eine Politik des gegeneinander Ausspielens einzelner sozialer Gruppen. Auch das Schüren von Vorurteilen durch unzutreffende Behauptungen kritisieren wir.

In Anbetracht dieser alternativen Fakten der letzten Gemeinderatssitzung möchten wir zwei Aussagen grundsätzlich in Frage stellen.

Aussage 1 „Flüchtlinge kosten die Gemeinde Geld“

Ja, das ist grundsätzlich richtig. Jede Person, die hier lebt, kostet die Gemeinde Geld, da die Gemeinde die Infrastruktur erhalten muss (Straßen, Kanäle, Kindergärten).

Aber wir nehmen auch Geld mit den Einwohnern ein. Und wie wir vorhin gehört haben, sind die Zuweisungen (die Einkommensteuerumlage sowie die FAG-Zuweisungen) bringen uns ca. 13 Millionen Euro an Einnahmen.
Je mehr Einwohner – desto größer die FAG-Zuweisungen für Oftersheim.

Dies macht knapp 500 € pro Einwohner.

Die 260 Flüchtlinge aus dem Gewerbepark Hardtwald, die wir letztes Jahr 10 Monate in Oftersheim beherbergt haben, werden uns mehr als 130.000 € an Mittelzuweisungen bescheren. Die übrigen 60 Flüchtlinge 2016 in Oftersheim weitere 30.000 €.

Die Grün-Schwarze Landesregierung wird für die Jahre 2017-2018 den Kommunen zusätzliche 90 Mio. Euro für Personen in der Anschlussunterbringung zur Verfügung stellen.
Es ist davon auszugehen, dass der Landtag einem entsprechenden Beschlussvorschlag des Finanzausschusses in der dritten Lesung morgen zustimmen wird.

Die FAG-Zuweisungen für Flüchtlinge in der Anschlussunterbringung könnten dann auf bis zu 1.125 € pro Person pro Jahr steigen.

Bei ca. 150 Flüchtlingen, wäre dies für 2017 und 2018 ein Betrag von ca. 160.000 € jährlich, der an die Gemeinde Oftersheim zurückfließt. Für die weiteren Jahre ca. 75.000 €.

Weitere Wohngebäude können sich daher überwiegend selbst refinanzieren und würden das Angebot an günstigerem Wohnraum aufrechterhalten.  Es ist nicht erkennbar, dass die Flüchtlingsunterbringung viel Geld binden wird.

Aussage 2 „Das Geld (für den Wohnungsbau für Flüchtlinge) fehlt uns bei den Schulen“.

Jährlich werden wir für den notwendigen Neubau der Schimper-Gemeinschaftsschule mehr als 350.000 Euro investieren.
Auch in unsere eigenen Schulgebäude haben wir stets die notwendigen und finanzierbaren Sanierungen veranlasst.

Ein sozialer Wohnungsbau,  der  – wie bereits erwähnt – sich finanziell überwiegend selbst trägt, wird die finanziellen Mittel für Schulen gar nicht oder nur sehr kurzzeitig beeinflussen.

Kurzum: Wir investieren selbstverständlich auch dort in die Schulen, wo es benötigt wird. Das war in den vergangene Jahren so und wird auch in Zukunft so sein, und daran ändert auch kein Wohnungsbau – auch keiner für Flüchtlinge etwas.

Die konstruktive Kritik mancher hier im Rat an unseren 11 Haushaltsanträgen haben wir zur  Kenntnis genommen. Die unsachliche Kritik weniger – diese werden wir auch zukünftig ignorieren.

Von am Ende 10 eingebrachten Haushaltsanträgen konnten wir bei 5 Anträgen die Ratsmehrheit überzeugen.

Das ist für eine kleine Fraktion sehr beachtlich und zeigt 2 Dinge:

1) Wir haben innerhalb des Ratsgremiums eine sehr gute Arbeitsatmosphäre, in dem fast ausschließlich sachlich um die Themen und Positionen gerungen wird. Dieses Arbeitsklima ist für die Entwicklung der Gemeinde sehr förderlich und hierfür möchten wir uns bei allen hier am Tisch und in der Verwaltung bedanken.
2) Das unsere Ideen und Vorstellungen auch den Nerv des Gremiums getroffen haben.

Zu den erfolgreichen Anträgen gehört die Umgestaltung von Grünstreifen in Wildblumenwiesen, die Planung  der Sanierung des gemeindeeigenen und vom TSV gepachteten Sportplatzes, der Veröffentlichung der  Sitzungsunterlagen im Internet, der Beginn des Umstiegs auf eine elektronische Ablage und die Reduzierung des Verfügungsrahmens des Bürgermeisters.

Es wartet auf die Gemeinde in den nächsten Monaten und Jahren vielen Aufgaben und  Herausforderungen – sowohl finanziell, als auch gesellschaftlich.

Diese sind mit Entschlossenheit, mit Kreativität und mit Teamgeist anzugehen.

Die kommenden Monate und Jahre werden für Oftersheim und darüber hinaus nicht einfach. Derzeit befindet sich unsere Gesellschaft, unsere von unseren Eltern und Großeltern aufgebaute Demokratie und unser vereintes Europa in Gefahr. Den Hass, die Lügen und das in Fragestellen der 3 Säulen unserer Demokratie (Legislative, Judikative, Exekutive), sowie die Diffamierung  der Medien darf man in diesem Ausmaß in Deutschland, in Europa und der Welt nicht unterschätzen.

Wir müssen uns klar von den Wilders, den Petrys, den LePens, den Höckes und den Trumps dieser Welt abgrenzen. Denn die haben keine Lösungen für unsere Probleme.

Wir müssen unsere Demokratie verteidigen. Eine Demokratie, die uns in den vergangenen 60 Jahren Frieden und Wohlstand gebracht hat. Wir haben Grenzen und Mauern in Europa abgebaut. Wir brauchen keine neuen Mauern. Weder an der Grenze – noch in unseren Köpfen.

Gute und bessere Dinge entstehen nicht durch Hass und Neid. Gute Dinge entstehen nur durch Vertrauen, Verständnis und Zuneigung. Das ist das, was wir brauchen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt dem Haushalt 2017 zu.

Patrick Schönenberg